Motivation als knappes Gut und: Die Messbarkeit von Motivation bei der Arbeitsvermittlung – das Prinzip Sozialstaat

1. Oktober 2019 0 Von Simon

Sehr geehrte Damen und Herren, werte Leser,

ich berichte von einer Bildungsmaßnahme.

Dem Unterricht bin ich beigetreten, nicht, weil ich es will, mehr, weil ich es nicht lassen kann. Es ist besser für mich. Dankenswerter Weise hat der Arbeitsvermittler des Jobcenter / der Agentur für Arbeit mir diese Möglichkeit der Teilnahme eingeräumt.

Fleißige Arbeiter erwartete ich als ich kam. Schaffende Leute, die auch wie ich Arbeit suchen und finden wollen. Als ich ging war ich nicht enttäuscht. Aber ich bin nun ernüchtert. Ich bin ein von Ehrgeiz und Tatendrang betrunkener Hochschulabsolvent, der die Wirklichkeit hinter dem Prinzip Sozialstaat entdeckte.

Gefallen hat mir an der Maßnahme, dass ich selbständig arbeiten durfte um Arbeit zu finden. Ganz wie im Studium. Auch von Vorteil für mich ist, dass ich unter Beobachtung effizienter, alleine weniger effizient arbeite. Also finde ich es auch schön, dass immer andere Teilnehmer da sind, die ja eigentlich auch einen Job finden wollen… oder?

Ich fand heraus, dass die Motivation eine Stelle zu finden an diesem Ort ein knappes Gut ist. Das Motivationsangebot ist so knapp, dass ich gemessen an dem was ich leisten wollte und leistete, hätte Geld dafür bekommen sollen, anstelle es als eine Art Goldesel im Auftrag der Arbeitsagentur/Jobcenter hierher mitzunehmen und weiterzugeben. Zugegeben Motivation ist schwer zu messen, Motivationsmangel aber schwer zu ignorieren.

Wahrscheinlich aber ist es einigen Teilnehmern Krankheitsbedingt gar nicht möglich und den wenigen Job Coaches und -vermittlern tatsächlich nicht zumutbar die Grundarbeitsmotivation zum Arbeit Finden aufrecht zu erhalten. Denn das Aussetzen von Sanktionen bildet keine Motivationsstütze. Allerdings kommen und gehen Teilnehmer, die schlecht wahrnehmbar sind in der Kürze der Zeit, die sie sich aufhalten. Sie steigern die Motivation, wenn man daran glaubt, dass sie gerade erfolgreich von Job zu Job springen. Unter dem Deckmantel des Datenschutzes sind diese motivierenden Teilnehmer tatsächlich so gut wie nicht existent.

So beschäftigen sich gefühlt 85% der Teilnehmer mit allem Möglichen, um ihre (wiederholten) Orientierungsphasen zu überbrücken. Das gleicht einem zielgerichtetes Chaos im Einklang mit der schwarzen Wirklichkeit des Arbeitsmarktes. Amateurmediziner, auch SGB Profis werden hier trainiert.

Es entsteht eine eigene ökonomische Nische, die sich selbst bedingt. ABM zur ABM Beschaffung und Vermittler vermitteln zu Vermittlern, die an Vermittler vermitteln. Das ist aber gut. Dadurch entsteht keine Langeweile. Jedenfalls dann nicht, wenn das Prinzip nicht hinterfragt wird. Aber ist das sozial?

Wie lange darf es dauern, bis aus Motivation Leistung wird, die messbar ist, bevor die Motivation sinkt?

Vielen Dank für das Lesen des Artikels.

SZ, 01.10.2019
SZ, 15.09.2022

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